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Natürlich waren wir alle nervös: Töchterlein schon zwei, drei Tage vor dem Start, Elterleins dann spätestens, als der Familienclan inklusive Oma auf den Stufen zum Hauptportal der Schule eine Viertelstunde lang auf Einlass harrte. Punkt neun Uhr war es so weit, keine zwei Minuten später waren wir „Erste!!!“ in der Container-Klasse: Ein schmuckes, die längst zu eng gewordenen Mauern des Meidlinger Volksschulhauses erweiterndes Blechgebäude, in dem die nächsten vier Jahre lang mehr oder weniger der Mittelpunkt von Töchterchens Alltag definiert werden wird. Blick zur Tafel von der ersten Reihe aus: check. Neue beste Freundin als Sitznachbarin sichern: check. Strahlendes, zuckersüßes, das Universum zum schmelzen bringendes Lächeln aufsetzen: cchhheeeecckkkk!!!

25 Mädchen und Buben plus Groß-/Elternteile (ca. Faktor 2,5) drängen sich in die 1B. Kurz nach Beginn der Lehrerinnen- und Direktorinnenansprachen haben sich schon die ersten Klassenkasperlanwärter bemerkbar gemacht: süß, in diesem Alter; aber doch irgendwie im Auge zu behalten… Wider erwarten fließen keine Tränen, weder bei den ABC-Frischlingen noch bei den abgebrühten und (geben wir’s doch einfach zu!) jegliches Lehrertum immer noch mit etwas Argwohn betrachtenden Müttern und Vätern. Erste Hausübung für die Kleinen: Mit dem nahen Umfeld (Papa, Mama, Oma, Opa, Nachbarn und Hund Rudi) über deren jeweils erste Schulerfahrungen reden, sofern erinnerlich. Davor nicht vergessen, die obligatorischen Schultüten auszuräumen: das selbstgebastelte Megateil sowie das mit Ö3- und weiterer zutiefst geschmacksunsicherer Werbung zugepflasterte Naschtütchen, das jedes Kind auf seinem Schulbänklein vorgefunden hat. (Gab’s da nicht mal ein Werbeverbot in den Schulen…?)

Off_to_School_by_Josefnovak33,, http://www.flickr.com/photos/josefnovak33/3699763657/Während die neuen Respektspersonen vorne weiter über das Programm der bevorstehenden ersten Schultage aufklären, neigt der Elterngeist dazu, langsam abzuschweifen… man blickt hinweg über 25 unschuldig-wissbegierige Köpfe… man staunt ob der überproportional vorhandenen Spiderman-Merchandise-Artikel (Socken, Hosen, Hemden und Mützen, v.a.)… man rätselt, ob diverse stramm-rechte Wiener PolitikerInnen sich tatsächlich in die Hosen scheißen, wenn sie mit einem Migrationshintergrund von einem oder mehr Prozent in den Schulklassen konfrontiert werden… man erwischt sich bei der Überlegung, welche unter diesen 25 schützens- und fördernswerten Kids wohl rein statistisch auf der Abschussliste unserer Gesellschaft stehen: durch Noten, durch Leistungsdruck, durch Sitzenbleiben, durch ständig geäußerten Drang zur Wirtschaftlichkeit ihres Tuns in ihrer natürlichen Entwicklung gehemmt…

Man denkt sich: Lasst sie doch einfach Kinder sein, verdammt – lernen wollen sie ohnehin…!

Exkurs: Kurz bevor ich selbst im Herbst 1986 eingeschult worden bin, sagte mir ein Onkel, die Schule wäre der „Ernst des Lebens“. – „Nein“, habe ich damals zur Antwort gegeben: „Das ist die Arbeit!“

Nun: Ich will nicht unbescheiden sein, aber mögen die dieser Tage und in Zukunft in Wien, im Bundesgebiet und weit darüber hinaus eingeschulten Kinder sich eine ebensolche Schlagfertigkeit und ihre instinktiv richtige Einschätzung des Lebens bewahren (dürfen), um unsere Welt wieder in eine ordentliche Bahn zu lenken.

Kleines Foto: Off To School, by josefnovak33

 

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(mad)

Bernhard Madlener, Jahrgang 1979, wurde kurz vor seinem 28. Geburtstag durch die Vaterschaft geadelt. Geboren im Ländle, seit 2004 freiwillig eingebürgerter Wiener mit Hang zum Meidlinger Dialekt. Mehr über (mad) gibt's hier.

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