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„Bei uns gab’s das ja alles nicht“, ist immer noch die scharmanteste Art zu sagen: „Den Schas brauch‘ ma net!“ Reflexartig war ich nämlich genau dieser Meinung, als wir vor einem Jahr die ersten Zähne verloren haben. Wir: also das Kind, das die ganze Arbeit machte, und ich, der vom Mitleid Gebeutelte. Anfang September geschah das, zwei Tage vor Töchterleins fünftem Geburtstag.

Reflexartig wurde dann auch gleich mal die Zahnärztin angerufen und mit der bangen Frage konfrontiert, ob denn das in dem Alter nicht viel zu früh wäre? (Damals wurde auch die Erinnerung an den Tag nach der Kindesgeburt wach, als in mittelpanischer Stimmung die Hebamme angerufen ward um ihr mitzuteilen, der Säugling habe ein Loch im vorderen Schädelbereich. Aber: Ne ne, du, lass ma‘ – das nenne sich Fontanelle und die sinke stets ein, wenn der Flüssigkeitsgehalt des neuen Menschleins schwindet. Eigentlich ganz praktisch, so eine Wasserstandsanzeige. Doch ich schweife ab.)

New! Tooth Holder Plush, by Mandy Jouan, http://www.flickr.com/photos/bahkubean/2956924785/Die ersten zwei Milchzähne waren also draußen, die Kleine guter Dinge und von der Kindergarten-Clique offensichtlich gut vorbereitet worden: „Jetzt kommt die Zahnfee!“, freute sie sich. Und das Elternpaar verfiel. Immerhin, es war Abend – woher nehmen, wenn nicht stehlen (egal, was – Hauptsache, es klebte Feenstaub dran…)!? Die Frage, ob’s das braucht oder nicht, war rasch geklärt: Die Jungfamilie entschied zwei zu eins, und die Eins war ausnahmsweise auf Daddy gegendert. Auf die Argumentationsnot, inwiefern zwei Zähne nur ein Geschenk wert wären, besannen wir uns rechtzeitig, kramten in der Geburtstagskiste, die diesen Titel ja auch nur leihweise und längstens bis zur Weihnachtszeit trug, und widmeten zwei kleinere Packerl auf Tinkerbells Cousine um.

Die Freude am nächsten Morgen hätte kaum größer sein können; aber wir hatten uns damit auch ins dunkle Reich der amerikanisierten Kindheit begeben: Als nächstes, das lag auf der Hand, würde der Halloween-Bann fallen, irgendwann besuchte uns dann im Winter nur mehr der bärtige Rote (Aber wir haben doch keinen Kamin!), und am Ende steckt man die Alten ins Heim. Vorhang.

Nun, elf Monate später, hat sich der Großteil dieser Ängste als nicht ganz so drängend erwiesen, wenngleich wir am 31. Oktober schon ein ordentliches Streifer’l abbekommen haben. Die Zahnfee war über die gesamte Zeitspanne vergessen, schlug dann Mitte Juli nochmals doppelt zu, spendete am nächsten Morgen wieder erfolgreich Trost und steht seither in Rufbereitschaft: Vier Wackler auf einmal – die Kleine sollte Lotto spielen. Und solange der lustige Kollege von den Ultimate Moms ihr nicht wirklich den „Papa haut uns!“-Schmäh einredet, lass ich die Zahnfee-Legende auch nicht auffliegen.

Foto: New! Tooth Holder Plush, by Mandy Jouan
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(mad)

Bernhard Madlener, Jahrgang 1979, wurde kurz vor seinem 28. Geburtstag durch die Vaterschaft geadelt. Geboren im Ländle, seit 2004 freiwillig eingebürgerter Wiener mit Hang zum Meidlinger Dialekt. Mehr über (mad) gibt's hier.

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