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Venedig heute! Gute Idee, dachten wir auf Familien-Urlaub in Jesolo. Gute Idee? Vier Elternpaare, die wir waren, mit sechs Kindern zwischen 2 und 5, mit drei Buggys/Kinderwägen, acht Rucksäcken/Umhängetaschen und mehreren Teleobjektiven saßen beim Frühstück um halb 10 und wähnten uns schon mittags in der Serenissima – Denkfehler #1. Der Transfer mit 14 Personen, zumal kleineren, dauert noch einmal doppelt so lang wie als Einzel-Familie. Mittags, pah! Die Transportmittel (als da wären Linien-Bus nach Punta Sabbioni, Fähre nach Venedig) warten an einem Sommertag auch nicht auf dich, es geht um Stehplätze, Haltegriffe, Fensterplätze, die auch für andere Passagiere attraktiv sind. Aber was tut man nicht, um sich Venedig vom Meer aus zu nähern.

Auf einen Cappuccino am Markusplatz

Ach, ist das schön, jetzt ein Cappuccino am Markusplatz – Denkfehler #2. Die Fähre legt so was von überhaupt nicht an am Markusplatz, was man erst bemerkt, wenn man mit drei Kinderwägen über drei Kanal-Brücken treppelt (Insidertipp für Nachahmer: Nicht wie wir die Riva degli Schiavoni entlanggehen, sondern im Stadtinneren bis San Marco durchschlängeln, dort sind die Brücken niedriger).

Jetzt Markusplatz. Irgendwo unter den Touristenfüßen liegt das Pflaster dieses schönsten Platzes nördlich von Siena. Duuurst (ausnahmsweise auch aus Elternmund)! Waren Sie schon im Florian? Dort ist der Durst so teuer, dass Sie sogar zu vierzehnt Sitzplätze im Freien bekommen. Aber sei’s, man sitzt erst mal, hört um 6,- pro Erwachsenem Gefiedel und Geklimper und stellt fest: Schon halb 2!

Los, auf durchs Gassenlabyrinth, aber bitteschön woanders als die Massen – Denkfehler #3. So viel Zeit, dass eine Kinderwagen-Armada die Trampelpfade verlassen kann, gibt es einfach nicht. Und so ist unser Pulk eine lebende Tempobremse. Daher die Bitte an mobilere Besucher: Geht IHR doch größere Schleifen, weicht UNS doch aus. Oder eben Geduld.

Focaccia unterwegs, Cappuccino unterwegs, Kulinarik ist dann nimmer und Visiten von Murano/ Burano sowieso zum Abschminken. Es wartet nämlich die Heimat-Fähre und wir sind 14 von 60.000 Venedig-Tagesbesuchern, die brav zum Abendessen daheim sein wollen. Heimfahrt im vollen Bus, Station versäumt, aber die Strapaz hat uns reifen lassen.

Was machte eigentlich das tapfere Kind der Ultimatemom an diesem Tag? Es war heldenhaft im Abwehrkampf gegen müde Füße, Durst und Hitze. Die richtigen Raunzekinder sind immer die anderen.

P.S. Venezia, ci vediamo!

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9 Comments

Gottfried Hufnagel

2011-08-03 12:29:23 Antworten

Feiner Bericht!

War in der Vor-Kinder-Zeit mit dem Hausboot dort. Keine Touristen. Der Markusplatz menschenleer. Bis um 09:00 Uhr die ersten Vaporettos mit Touris eintrafen. Umso mehr weiß ich euren unbeirrbaren Glauben an die Menschheit zu schätzen. Venedig mit als 14-Leute-Gruppe zu erkunden ist todesverachtend 😉

Thomas

2011-08-03 14:17:24 Antworten

Genau. Tages-RAND-Tourist muss man sein!

Ralf

2011-08-04 06:54:09 Antworten

Ich sag nur: „Mut, kann man nicht kaufen!“

Dad

2011-08-08 17:53:14 Antworten

Toller Bericht – ist ewig her, dass ich in Venedig war. Ich denke, ich wäre total orientierungslos. Auf Tour nehmen wir jetzt immer die Kraxe mit – das hat sich gegenüber dem Kinderwagen gut bewährt, auch wenn mir da manchmal ziemlich heiss wird. Gerade sind wir am Planen, wie unser nächster Urlaub mit unserer Kleinen werden wird… Es soll ihr erster Flug werden. D’Frau hat schon ein paar Tipps zu Flugreisen gesammelt und bei uns drüben online gestellt, jetzt bin ich mal gespannt, ob sie wirklich nützlich sein werden.

ebbonn

2011-08-31 14:31:22 Antworten

Selbst Ex-Mutter, beruflich mit Kindern befasst, privat Venedigreisende habe ich Deinen Bericht mit einem lachenden und einem weinenden Auge gelesen. Ich bin immer wieder baff über die naive Venedig-Begeisterung junger Eltern.
Auch Eltern, die den Albtraum mit Humor nehmen und Kinder, die tapfer verstehen, dass ihre Eltern mal ein Abenteuer brauchen, verdienen GEEIGNETERE Reiseziele. Jedenfalls nicht Lebensertüchtigungstraining in Venedig.
Ich bin natürlich überzeugt, dass Venedig die wunderbarste! Stadt! der Welt! ist, für alle, die zu den geeigneten „Zielgruppen“ gehören, junge Familien mit kleinen Kindern jedenfalls nicht.

marko

2011-09-01 15:18:46 Antworten

@ebbonn: guter beitrag. wenn man ihn befolgt könnte man venedig als jungelternpaar mit kind auch unbeschadet überleben ;-).
wenn es draußen etwas kühler wird, könnte ich mir vorstellen, dass auch eine kindertrage bei der stadtbegehung ganz nützlich ist – im gegensatz zu einem kinderwagen.

Venedig lagune

2011-11-04 15:19:50 Antworten

Ein Cappuccino in der St. Mark Platz ist eine interessante Erfahrung, aber es ist ziemlich teuer.

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