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Manchmal, da hab ich Angst

Wiener StraßenbahnMittwochs gehe ich seit Kurzem immer zu Fuß von der U6 zur Uni im Alten AKH. Diese neu entdeckte Agilität verdanke ich aber eher einem der früheren verregneten Mittwoch Morgen als dem Drang nach Bewegung und frischer Luft.

Es ist gar nicht so lange her, da stand ich eingequetscht in der übervollen Straßenbahn Richtung Schottentor. Neben mir eine junge Mutter, die versuchte ihr weinendes Baby zu beruhigen. Die Situation war etwas prekär. Die Straßenbahn war voll und heiß; die angeregneten Mäntel begannen schon zu dampfen; die Leute schwankten zwischen Morgenmüdigkeit und Schlechtwetterfrust. Egal was die Mutter tat, das Kind hörte nicht auf zu weinen.

Die Frau, irgendwo um die Anfang 30, verzweifelte von Minute zur Minute immer mehr. Wußte sich nicht zu helfen. Konnte das Kind auch nicht in den Arm nehmen. Keine Chance. Nach wenigen Minuten wurde ihr die ganze Sache etwas unangenehm. Sie sah niemanden in der Straßenbahn an. Ihr Blick wechselte nur noch zwischen Kinderwagen und den vorbeiziehenden Straßenzügen. Sie hoffte scheinbar, dass diese Fahrt endlich ein Ende finden sollte. Es war ihr peinlich, dass das Kind weinte und sie nichts dagegen tun konnte.

Ich wollte gerne helfen, wusste aber nicht so recht wie. Und dann, ganz plötzlich, überfiel mich das Gefühl, dass schon sehr bald ich an ihrer Stelle stehen könnte. Und dann bekam ich Angst. Angst, irgendwann nicht zu wissen, was zu tun ist und mich dann dessen zu schämen. Angst, nicht die richtige Lösung für ein Problem meiner Tochter zu haben. Angst, es nicht zu schaffen, ein wirklich guter Vater zu sein.
Und während ich mir überlegte, was denn überhaupt ein guter Vater sein soll, wurde ich auch schon mit der aussteigenden Masse aus dem Waggon gespült.

Seit dieser Begebenheit überlege ich mir jeden Mittwoch, was ich in dieser Situation tun würde und überlasse den Müttern und Kinderwagen dieser Welt vorsichtshalber den Platz in der Straßenbahn. Durch den frei gewordenen Manövrierraum werden wohl die eine oder andere (ultimate)mom einen geeigneten Lösungsansatz für den weinenden Nachwuchs finden.
Außerdem habe ich mittlerweile beschlossen, die ganze Sache etwas lockerer zu sehen und dass mein Peinlich-berührt-sein-Level doch um einiges Höher liegt als bei einem weinenden Kind in einer vollen Straßenbahn. Meinen Mittwochs-Walk lasse ich mir aber trotzdem nicht mehr nehmen.


Copyright: Julian Turner gefunden bei Flickr unter CC-Lizenz.

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Marko

Gründervater bei ultimatemoms.at
Marko Zlousic ist der Gründer von ultimatemoms.at und nicht mehr ganz so frisch gebackener Vater der kleinen Klara. Er lebt und arbeitet in seiner zweiten Heimat Wien und versucht in seiner neuesten Rolle alles richtig zu machen…

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